Samstag, 29. Oktober 2011

Überlegungen zur Lage der Kirche

Während ich durch mein Fenster auf den ersten Schnee schaue, genieße ich einen freien Samstag. Den möchte ich nutzen, um ein paar Überlegungen zur Lage der Kirche zu formulieren, die - glaube ich - in Deutschland ihre Bedeutung haben, aber vielleicht auch weltweit, vielleicht auch in Sibirien interessant sind.

Manche beklagen, nach den Zweiten Vatikanischen Konzil sei der große Aufbruch ausgeblieben. Ich behaupte: Er konnte noch gar nicht kommen. Die Zeit, in der wir die Dokumente des Konzils wirklich nutzen können, kommt erst noch.

Wieso meine ich das? Ich denke, immer wieder hat die Kirche zum Ende einer Epoche hin etwa 60, 70 Jahre gebraucht, um sich auf die neue Zeit einzustellen. Und die Zeit dazwischen wurde v. a. als Zeit des Verfalls und Abbruchs empfunden. Beispiele: 313 wurde der Kirche im Römischen Reich erst Toleranz und dann Förderung gewährt. Aber erst nach dem Konzil von Konstantinopel (381) war sie auf die neue Lage eingestellt, sie hatte sich aus falschen Umklammerungen durch die Kaiser befreit, Mönche und Nonnen hatten sich etabliert, theologische Streitigkeiten, durch welche die Kirche kurz vor dem Zerreißen stand, wurden beigelegt.

Um 1500 fand der Aufbruch in die neue Zeit statt, aber erst ab 1563, nach dem Konzil von Trient, war die Kirche darauf eingestellt und konnte, um nur ein Beispiel unter vielen für Neues zu geben, auf drängende Glaubensfragen Antworten geben, die man in Katechismen nachlesen konnte.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts (z. B. Jesuitenverfolgungen) brach die "Einheit von Thron und Altar" auseinander, aber erst um 1830 war die Kirche mehr oder weniger darauf eingestellt, Volkskirche zu sein.

Warum sollte es in unserer Zeit anders sein? Ich denke, der Mensch trennt sich ungern von Bestehendem, solange es noch funktioniert. Aber es scheint, dass der Abbruch des etablierten kirchlichen Milieus, dessen Beginn man gerne mit 1968 ansetzt, weit fortgeschritten ist. Vielleicht kann jetzt wirklich etwas Neues kommen, z. B. Respekt vor dem Gewissen der Gläubigen statt klerikaler Entmündigung von "rechts" oder "links", echte Zusammenarbeit zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien, Haupt- und Ehrenamtlichen, Einsatz der Kirche für Gerechtigkeit und das Licht des Glaubens in einer komplizierter werdenden Welt. Wir werden es erleben - weltweit.

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