Donnerstag, 31. Januar 2013

Die Sprache Jesu

Man muss nur nach Sibirien fahren, dort kann man Leute treffen, die das "Vater unser" praktisch in dem Wortlaut beten, in dem es Jesus seinen Jüngern beigebracht hat. Denn es gab (und gibt) im Kaukasus Assyrer. Viele von ihnen sind zu Stalins Zeiten nach Sibirien verbannt worden, manche sind dort geblieben. Wie es sich fügte, war ich heute zum Hausbesuch bei einer solchen älteren, kranken Frau. Sie hat mir erzählt, dass sie die wesentlichen Gebete auf Assyrisch kennt, und Assyrisch ist bekanntlich sehr nahe am Aramäischen. Und sie hat mir ein Heft ausgeliehen, in dem die Texte wesentlicher Gebete in assyrischer Sprache, aber in russischen Buchstaben geschrieben sind. Dieses Heft hat man ihr vor 25 Jahren bei einem Besuch im Kaukasus gegeben. Das "Vater unser" lautet danach, zumindest in dieser Version:

"Ja baban, divet bschmaja,
Ove kotscha schamach,
Atja malkutach,
Ove rasajoch, dach dila bschmaja, ob chadachile ara.
Chalan lama, samkana, evmana,
Schvaklan gjnaje chtijota,
la movratlan an dschuroba,
Ala mmossylan mannad bischa.
Sabab dmjochila malkuta,
Chejtscha akra abad-abadin. Amen.

Montag, 14. Januar 2013

Exerzitien mit Jugendlichen

Meinem Mitbruder Johannes Kahn und mir war es nach einem Experiment zumute: Wie wäre es, einmal sechzehn- oder siebzehnjährigen Jugendlichen Exerzitien zu geben? Nicht Besinnungstage, sondern wirkliche, wenn auch kurze, Exerzitien - drei Tage mit Schweigen, Betrachtungen, Messe, Einzelgespräch, Gewissenserforschung, Anbetung - und natürlich Schneeschaufeln. Dazu fand sich dann auch eine kleine Gruppe: vier Jugendliche aus Novosibirsk, zwei aus Bratsk (etwa 24 Stunden mit dem Zug entfernt; es kam natürlich eine Erwachsene mit).
Am 2. Januar nachmittags reisten alle an. Ihre Telefone haben wir uns herausgeben lassen, wozu alle ohne Mühen bereit waren. Stattdessen haben wir den Eltern unsere Nummern gegeben. Eine Einführung, dann konnte es losgehen.
Eine brenzlige Situation mussten wir überstehen, weil wir einen Punkt nicht ganz richtig eingeschätzt haben: Wir haben am Anfang gerade den Jungs nicht genug Arbeit gegeben. Das muss schon sein, sonst wissen sie nicht, wohin mit ihrer Energie. Aber das Wetter war gut, und die Eingänge und Einfahrten unseres Hauses von Schnee zu befreien, war obendrein ein gutes Werk. Zugegeben, ganz klassisch haben wir die Tage nicht gestaltet: eine Betrachtungszeit war jeden Tag gemeinsam, auch den Tagesrückblick (Gewissenserforschung) am Abend habe ich jeweils angeleitet. Außerdem haben wir in den Tagen drei kleine Austauschrunden gehalten, in denen jeder kurz erzählen konnte, was ihn oder sie gerade bewegt.
Sehr interessant waren die Einzelgespräche: Auf der einen Seite haben die Jugendlichen sie genutzt, um Fragen zu Glauben und Gebet zu stellen, wozu sie sonst wenig Gelegenheit haben. Andererseits kam dabei ans Licht, dass manche von ihnen sehr fähig sind zu intensivem persönlichem Gebet.
Und als am 5. Januar nach der Messe beim Abendessen wieder geredet werden durfte, bestätigte sich, was auch sonst immer wieder zu beobachten ist: Trotz (oder wegen) des Schweigens war aus den Jugendlichen (und uns) eine echte Gruppe geworden - eine Gemeinschaft im Gebet. Persönliche Gebetserfahrung und Gemeinschaft im Gebet - zwei sehr wichtige Dinge für Jugendliche in einem Land, in dem es wenig praktizierende Gläubige und ganz wenig praktizierende Katholiken gibt.

Sonntag, 13. Januar 2013

Oblatki - ein polnischer Weihnachtsbrauch

Ausnahmsweise einmal ein nichtrussischer Brauch, aber ein wirklich schöner: In Polen tauschen die Leute an Heiligabend, aber auch in den folgenden Tagen, Oblatki aus, was in Russland vereinzelt auch praktiziert wird. Das kann folgendermaßen gehen:
Man kauft Oblatki, z. B. in einem der auch in Deutschland zahlreichen polnischen Läden. Das sind flache Scheiben nach Art von Hostien, nur größer, rechteckig und mit eingestanzten Bildern, z. B. von der Krippe. Jeder in der Familie oder im Freundeskreis bekommt dann eine davon. Sollte das nicht gehen, kann man sicher auch Scheiben Weiß- oder Graubrot nehmen, die dann allerdings einfach sein sollten.
Und wenn dann z. B. Mann und Frau Weihnachtswünsche austauschen wollen, kann das folgendermaßen gehen: Der Mann bricht ein Stück von der Oblatka seiner Frau ab und hält es zunächst in der Hand. Dann bedankt er sich bei ihr für das Gute, das es im zu Ende gehenden Jahr gab, und sagt ihr, was er ihr für das nächste Jahr wünscht. Dann erst isst er das Stück Oblatka. Danach bricht dann die Frau ein Stück von der Oblatka ihres Mannes ab usw. Überall, wo man das ungeheuchelt tut, in der Familie oder im Freundeskreis, evtl. auch unter Kollegen, kann es sehr verbindend wirken. Ruhig schon vormerken für Weihnachten 2013...

Donnerstag, 3. Januar 2013

Weihnachten und Neujahr

Der letzte Winter war eher lau, aber dieser hat es wirklich in sich. Lange war es um -30°, auch gerne ein paar Tage bis -40°. Aber jetzt ist es wieder wärmer geworden.
Was dafür in diesem Jahr um so mehr vorhanden war, war die menschliche Wärme und Herzlichkeit. In Tomsk wurde am 25.12. auf großen Nachrichtenschirmen verkündet: "Heute feiern die Katholiken Weihnachten." Und ich habe zu Weihanchten sehr viele Glückwünsche von Orthodoxen bekommen.
Aber natürlich ist der wichtigste Feiertag für die meisen Leute immer noch Neujahr, mit Tanne; "Opa Frost" und seinen Schneeflöckchen, Besuchen usw. Aber auch für die Orthodoxen wird Weihnachten (7.1.) immer bedeutender. Das merkt man z. B. daran, dass in immer mehr Schlagern Weihnachten besungen wird. Und natürlich ruht immer noch das ganze Land vom 1.1.-8.1. (mindestens) aus. Ich übrigens (ein bisschen) auch: Jetzt gebe ich mit einem Mitbruder zusammen in Novosibirsk Jugendlichen Exerzitien, dann fahre ich Leute besuchen nach Tscheljabinsk...