Mit dem Zug durch Russland zu fahren, ist immer wieder etwas Besonderes. Es empfiehlt sich sehr, mit dem "Plazkartnyj", d. h. dem Liegewagen 3. Klasse, zu fahren. Dabei handelt es sich um einen grundsätzlich durchgängigen Waggon, der aber durch dünne Wände doch unterteilt ist. Allerdings ist der Gang offen. Essen sollte man mitbringen, einen Becher und heißes Wasser für Tee bekommt man gestellt. Manche Leute richten sich an ihrem Platz fast ein bisschen wie in einer kleinen Wohnung ein -kein Wunder, wenn manche vier, fünf Tage lang am Stück unterwegs sind.
Ich selber war nun nicht vier Tage lang unterwegs, aber doch eineinhalb Tage von Novosibirsk nach Tscheljabinsk und wieder eineinhalb Tage zurück. In dieser Zeit habe ich einen Kirgisen kennengelernt, der von seiner Frau und Tochter in Tschita (das liegt im Fernen Osten) zur Arbeit nach Tjumen in Westsibirien fuhr. Er hat mir als Muslim und Orientale seine Meinung dargelegt, dass bei den Christen die Vergebung der Sünden eine zu große Rolle spielt und dass es bedauerlich sei, dass bei den Christen die Frauen zu viel Macht haben und sich zu schamlos in der Öffentlichkeit zeigen (d. h., dass der Gast überhaupt die Frau seines Gastgebers sieht, ist für ihn schon eine unnötige Versuchung zum Ehebruch). Später saß im Zug eine Gruppe von jungen Frauen mit ihren Töchtern, die von einem Ballettwettkampf heimfuhren. Für sie war ein katholischer Priester im Abteil erstens eine kleine Sensation, aber zweitens eine willkommene Gelegenheit, über die verschiedensten Gewissensfragen zu sprechen. Eine Frau erzählte, sie sei mit achtzehn auf ihren eigenen Wunsch orthodox getauft worden. Von der Kommunion wusste sie aber so gut wie nichts, und zur Beichte traut sie sich nicht, weil sie orthodoxe Priester als unnahbar empfindet. Interessant: Hier habe ich schon mehrfach gehört, wie demokratisch, modern und aufgeschlossen doch die katholische Kirche sei ...
Schließlich habe ich noch einen jungen Baschkiren kennengelernt, einen Muslim aus dem südlichen Ural, der auf der Reise war, um im äußersten Norden Russlands in einem Bergwerk sein Berufsleben zu beginnen. Man darf ihm dazu wohl viel Glück wünschen ...
Ich selber war nun nicht vier Tage lang unterwegs, aber doch eineinhalb Tage von Novosibirsk nach Tscheljabinsk und wieder eineinhalb Tage zurück. In dieser Zeit habe ich einen Kirgisen kennengelernt, der von seiner Frau und Tochter in Tschita (das liegt im Fernen Osten) zur Arbeit nach Tjumen in Westsibirien fuhr. Er hat mir als Muslim und Orientale seine Meinung dargelegt, dass bei den Christen die Vergebung der Sünden eine zu große Rolle spielt und dass es bedauerlich sei, dass bei den Christen die Frauen zu viel Macht haben und sich zu schamlos in der Öffentlichkeit zeigen (d. h., dass der Gast überhaupt die Frau seines Gastgebers sieht, ist für ihn schon eine unnötige Versuchung zum Ehebruch). Später saß im Zug eine Gruppe von jungen Frauen mit ihren Töchtern, die von einem Ballettwettkampf heimfuhren. Für sie war ein katholischer Priester im Abteil erstens eine kleine Sensation, aber zweitens eine willkommene Gelegenheit, über die verschiedensten Gewissensfragen zu sprechen. Eine Frau erzählte, sie sei mit achtzehn auf ihren eigenen Wunsch orthodox getauft worden. Von der Kommunion wusste sie aber so gut wie nichts, und zur Beichte traut sie sich nicht, weil sie orthodoxe Priester als unnahbar empfindet. Interessant: Hier habe ich schon mehrfach gehört, wie demokratisch, modern und aufgeschlossen doch die katholische Kirche sei ...
Schließlich habe ich noch einen jungen Baschkiren kennengelernt, einen Muslim aus dem südlichen Ural, der auf der Reise war, um im äußersten Norden Russlands in einem Bergwerk sein Berufsleben zu beginnen. Man darf ihm dazu wohl viel Glück wünschen ...
"Hier habe ich schon mehrfach gehört, wie demokratisch, modern und aufgeschlossen doch die katholische Kirche sei ..."
AntwortenLöschenHier hört man ja jeden Tag, wie anachronistisch, festgefahren und erstarrt die katholische Kirche sei. Erstaunlicherweise auch von den meisten Menschen aus Russland und den ehemaligen Sowjetländern, die in München leben. Was mich vermuten lässt, dass der hier anzutreffende gegenwärtige "Zeitgeist" die meisten Menschen zu diesem völlig verzerrtem Bild der katholischen Kirche hinbiegt.
Dieser Zeitgeist beginnt wohl gerade, sich auch in Russland mit voller Macht zu etablieren. Und viele der Menschen hier sind so etwas wie Katalysatoren für die Zukunft ihres eigenen Landes.
Vielleicht wäre es gut für die Priesteramtskandidaten, sich auch ein Stück auf diese auf sie zurollende Zukunft vorzubereiten, indem sie einmal einen Ausflug in die Ignoranz des Überflussmaterialismus mitmachen müssen.